Montag, 27. Februar 2012

Der Stolperstein der Identifizierbarkeit

Die Debatte um die Identifizierbarkeit eines Wählers im Liquid Feedback System der Piraten, geht derzeit in verschiedene Richtungen. Die einen reden über die Merkmale die bei der Identifizierung zu Rate gezogen werden, die Anderen wiederum diskutieren den Namen an sich. Warum dieses Durcheinander?

Es liegt in der Betrachtung von Grundsätzen: 

Wenn ich ein Identifizierungsmerkmal suche, dabei den Namen einer Person als sehr praktikabel erachte, kann dies unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden. 

1. Ist der Name eindeutig einer Person zuzuordnen? Ist hier kein Trollversuch vorhanden?
2. Ist der Name der Person, hier mal den bürgerlichen Namen genommen der im Ausweis und Pass jedes deutschen Bundesbürgers steht, in einem Verfahren gegeben, welches dem Bürger auch freie Verfügung über seinen Namen gewährt? 
3. Ist ein bürgerlicher Name zwangsweise auch ein "richtiger" Name? Wer entscheidet sowas? 

Zum ersten Punkt kann man schnell sagen: Es soll vermieden werden, dass Menschen unter einer wirklichen Deckidentität Versuche unternehmen das basisdemokratische System der Piratenpartei zu unterwandern oder zu missbrauchen. 

Der zweite Punkt ist hier in Deutschland ein Stolperstein. Ich kann doch erst als Pirat, dessen politische Grundlage quasi der mündige, freie und befähigte Bürger ist, verlangen das jemand "mit seinem guten Namen" etwas glaubhaft vertritt, wenn dieser Name auch wirklich unter mündigen Umständen verliehen wird. Das heißt, wie in den USA oder UK der Name frei veränderbar ist. Wenn das Individuum rechtlich dazu befähigt ist seinen Namen, seine eigene Bezeichnung (sic!) auch selbst zu wählen. In Deutschland ist die Rechtslage hierzu sehr unmündig, wie ich es mal lapidar formuliere. Ich als Brite kann hingehen und meinen Namen ändern. Alles was ich hier praktisch machen müsste ist einen so genannten Deed Poll beim zuständigen Amt in der britischen Heimat einreichen, geht auch online, und mein Name wird geändert. So einfach ist das. Ich als mündiger Bürger stelle meinem Amt meine Namensänderung als Dokument aus. Völlig normaler Rechtsakt. Und keine Angst, es ändert nicht jeder Dritte alle Vierteljahr seinen Namen.  

In Deutschland wird einem Bürger eine Vornamensänderung etwa, nur bei einem wichtigen Grund gestattet. Es werden daher viele verschiedene Barrieren gelegt, die der Namenssouveränität des Bürgers in Deutschland erstmal im Wege liegen. Daher ist es für mich als jemanden der ein mündigeres, freieres Namensrecht kennt, nicht fassbar wie Piraten einer "Klarnamenspflicht" überhaupt grundlegend zustimmen können. 1. Ist das Wort von Grund auf verkorkst, 2. ist der Boden des Namens unfruchtbar, da unfrei. Da erntet man nix. 

Interessant am 3. Punkt ist die Frage nach dem "richtig" oder "falsch". Im Gerichtssaal empfinde ich etwa die Nennung meines vollen bürgerlichen Namens als "richtig". Im Gegenzug dazu empfinde ich die Nennung meines Internetnamens als "richtig" wenn ich auch in einem Kontext unterwegs bin der mit meinem Sozialleben im Netz zu tun hat. Nennungen eines jeweils anderen Namens würde sicherlich bei einigen für Unbehagen oder Verwirrung sorgen. Man würde sich quasi "aus dem Kontext" gerissen fühlen. 

Wenn ich also zur Transparenz bei Wahlen innerhalb der Piratenpartei zurückkehre, die Möglichkeiten zur Nachvollziehung von Wahlen durch die Verknüpfung mit dem Bürgerlichen Namen betrachte, dann komme ich zum Schluss, dass dies einer Grundlage bedarf die wir rechtlich in Deutschland noch nicht haben.

Wir haben im Liquid System Menschen die sich mit dem "richtig" fühlenden Netznamen auftreten und Leute die sich mit bürgerlichem Namen wohler fühlen. Manche haben sogar Switcher-Kapazitäten. Es wäre daher eine gute Lösung, wenn wir Beinamen aus dem digitalen Umfeld als Teil unserer Kultur endlich offiziell machen und die Nachvollziehbarkeit zwischen Person und Namen eben auf den Netznamen oder einer Kombination aus Netzname und bürgerlichem Namen  (wenn dies von Individuen gewünscht wird) ausweiten. Wir sind dazu in der Lage von 0 auf 9% in Berlin zu kommen. Dann schaffen wir es auch durch unser innerparteiliches Handeln bezüglich Namen und Namenssouveränität Impulse zu setzen. Schließlich sind unsere Nachnamen auch "nur" durch Beinamen entstanden. Die gab es schon immer und wird es auch immer geben. Nutzen wir Diese.

Weiterführend im Bezug auf Wahlen, ist diese Lektüre empfohlen: Im Memeticum  von @jbenno

Samstag, 25. Februar 2012

Kurz und knapp: Warum Flügel zum Fliegen da sind

Kennt ihr diese optischen Spielzeuge aus gefärbtem Öl, Gel oder auch Sand, in einem durchsichtigen Gefäß, welche bei Bewegung durch den Betrachter verschiedene Muster ergeben? Auch manche Cocktails funktionieren auf diese Weise: Erst gemixt, dann trennen sich die Hauptzutaten oder vermengen sich zu einer neuen Mischung.

Genau dasselbe hat man in der regulären Parteienlandschaft, und narürlich auch innerhalb jeder einzelnen Partei: Die geographische, erzieherische oder auch berufliche Herkunft (nur als Beispiele genannt) bilden teilweise mehr oder weniger Grundlagen für verschiedene Gruppen, Interessen und Antriebe etwas zu verändern. Menschen reagieren verschieden auf Veränderungen die die Gesellschaft, das Zeitgeschehen liefert.
Roaring Pegasus
Was die Piraten den meisten Parteien voraus hat, ist die Fähigkeit unglaublich vernetzt zu denken und zu handeln. Nicht umsonst tragen wir Begriffe wie "Schwarmintelligenz", "Inhalte statt Köpfe" oder "Basisdemokratie" vor uns her wie eine Monstranz. Wir identifizieren uns damit, dass wir die Vielen sind die zusammen Entscheidungen treffen. Und das trotz Hauen und Stechen und Trollen recht gut.

Es braucht Vielfalt, verschiedene Strömungen und ja auch Flügel um sinnvoll diskutieren und Entscheidungen zu treffen. Sei dies eine Nuklearia die sehr provokant hervorsteht, oder auch eine Gruppe42 welche sich fast wie ein digitaler Seeheimer Kreis profiliert, welche das alte Profil der Netzpartei konservieren möchte. Diese Strömungen; informell, dynamisch und nicht uniform sind gesund. Sie können irritieren, aufwühlen und das bunte Gefüge durcheinander bringen und neue Muster formieren.

Ein bisschen könnte man eben auch von einer sehr starken quasi "autoparlamentarischeren" Demokratie innerhalb der Partei sprechen die über Inhalt, Form und Sprache diskutiert wie ein großes Parlament. Es gibt eher konservative, mittige, liberale und linke Gruppierungen und Lager. Man könnte genauso auch den Bundestag mit uns füllen und es würde sich höchstens die Qualität der Politik ändern. Das Abendland würde nicht untergehen sondern aufatmen und sich ein Piccolöchen öffnen.

Daher lasst und locker mit Flügeln umgehen die wir so an uns wachsen lassen. Es war bei den Grünen noch so, dass die Flügel amputiert, verkümmert oder verendet sind. Das müssen wir nicht. Wir sind wieder einen Schritt voraus. Wir wissen tief im Inneren: Flügel sind zum Fliegen da. Oder mit dem Bild des optischen Spielzeuges gesagt: Es wird sowieso immer geschüttelt und gerüttelt, mal hier mal da. Lasst uns die Farben genießen und damit jonglieren.