Sonntag, 6. November 2011

Occupy Fashion

Gerade hat Julia Schramm auf Twitter mir den Anstoss gegeben diese Idee endlich mal hier aufzuschreiben. Sie meinte, sie wäre "zu dick für Femen". Ein recht denkwürdiger Satz, denn diese hübschen, meist modelhaften Feministinnen die viel Fleisch zeigen als Form ihres Protestes kann bei normal bis kurvig veranlagten Damen genauso Figurwahn im Kopf auslösen wie das Cover des Playboy oder der Vogue. Natürlich gibt es auch kurvige Repräsentantinnen dieser Bewegung aber dennoch sind die gezeigten Bilder doch meist von den bildhübschen und gertenschlanken bis dürren Damen dieser Femen besiedelt. Leider.

Aber ich möchte hier nicht über Feminismus mit Gazongas sprechen, ich möchte einfach generell über das Problem des Figurwahns sprechen, der schon Leuten das Leben gekostet hat. Wenn Models tot vom Laufsteg fallen und die Modeindustrie JAHRE DANACH nicht wirklich eine Änderung ihrer Präsentationsformen zeigt, dann haben wir ein sehr großes kulturelles Problem. Das Korsett im Kopf schmälert nicht nur - wie sein Gegenstück aus der Schneiderei durch Druck die Taille - sondern führt zu Esstörungen, Krankheit und Tod. Ganz glamourfrei.

Ich sag es jetzt auch einmal heraus, dass dieser Magerkult auch ein schönes Machtinstrument ist, um Leute, Damen und mittlerweile auch einige männliche Mitbürger vom Denken wichtigerer Gedanken abhalten kann und auch wohl tut. Dann noch das stets vermittelte Gefühl, das dürr (das ist nicht mehr schlank!) auch besser und elitärer ist als Pölsterchen die man mit guter Gewandung zur Hochform bringen kann. Schon wieder dieses unappetitliche "teile und herrsche". Es ist beinahe ermüdend und lachhaft.

Dabei ist es im Lichte des Liquid Identity Gedanken doch viel interessanter auch daran zu denken, dass der menschliche Körper nun einmal auch kein statisches Gewicht hat. (Oh, wie viele extreme Gewichtsschwankungen ich schon hinter mir hab. Na und?) Jedes Gewicht, jeder körperliche Archetyp kann mit Hirn und Herz gut und schön sein. (Anorexie und Adipositas mal als gesundheitliches Problem hier ausgenommen.) Das ist nichts neues und es sollte selbstverständlich sein, dass dies auch in den Medien die uns so schön repräsentieren sollen, auch reflektiert wird. Und das nicht nur als "feelgood Gimmick".

Daher schlage ich vor, dass man nicht nur Banken, sondern auch mediale Körperbilder okkupieren sollte. Was eignet sich denn nicht besser als die gute, alte Mode. Occupy Fashion lautet die Devise. Dabei sollte es nicht darum gehen Modeläden zu belagern sondern eher einen medialen Kampf zu starten um ein sehr großes und oft auch tabuisiertes Problem in dieser Gesellschaft auf den Tisch zu bringen. Und zwar nachhaltig. Denkt doch mal darüber nach: Reiche werden immer reicher, Arme und Mittelschichtler werden in die Existenznot und darüber hinaus getrieben und dann kommt noch noch die kulturelle Schraube in den Köpfen bezüglich einer fast unmöglichen Körperform daher,  die eigentlich eine Hungersnot repräsentiert. Haut und Knochen. Wie krank sind wir eigentlich, dass wir diese Pille noch schlucken?

Gesundheit und die Erhaltung dieser ist erstrebenswert, aber wie ein Skelett aus dem Biologieunterricht auszusehen ist NICHT Sinn der Übung.

Achja: Glamour ist für mich nicht teuer, dürr und schickimiki sondern einfallsreich, intelligent und gewieft genug sich was schickes zu schaffen ohne den Geldbeutel zu strapazieren. Lifestylehacking halt.



2 Kommentare:

  1. (Disclaimer: Ich hab mich damit nicht wirklich beschäftigt und darum ist das, was ich sage, wahrscheinlich alles andere als neu oder durchdacht)

    Ich glaube es ist nicht möglich, den Körperkult wegzukriegen. Das Problem ist einfach, dass die Modemacher ihre Models so auswählen, dass das die schönsten Menschen überhaupt sind (entsprechend dem Schönheitsideal), sozusagen die 1%, höhö. Und das wird vorraussichtlich so bleiben, schließlich ist Mode irgendwo ein Produkt, was präsentiert wird.

    Vielleicht müssen die Leute verstehen, dass es normal ist, normal (im statistischen Sinne) auszusehen und nicht wie Models, die sich am äußersten Rand der Glockenkurve befinden. Das ist genau das gleiche Unverständnis wie bei Risikoeinschätzung, wo man mehr Angst vorm Fliegen hat, obwohl Straßenverkehr unglaublich viel gefährlicher ist.

    Das Models außergewöhnlich und dadurch schön bzw. interressant aussehen find ich völlig legitim, denn Mode ist halt, wie gesagt, ein Produkt. Und das man bei Femen die schönen und nicht die durchschnittlichen Frauen fotografiert hat genau den gleichen Grund, ein interessanteres Foto zu kriegen.

    Natürlich will man nicht nur normal sein, aber genau da kommt ja Glamour und Lifestylehacking bzw. Stil allgemein ins Spiel, was im Endeffekt auch viel effektiver als bloß "oha dünn" ist.

    Allerdings noch darüber nachdenken, was man mit den Leuten am anderen Ende der Normalverteilung macht, die schlichtweg nicht gut aussehen.

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  2. @Paul: Naja, aber Schönheitsideale sind doch einfach nur Definitionssache. Vor einigen hundert Jahren war das Schönheitsideal das der properen, gesund aussehenden Frau, Magermodells wären damals als "krank" angesehen worden.

    Im übrigen liegt es ja auch immer an einem selbst etwas zu verändern. Wenn du die Gesellschaft verändern willst, fang bei dir an und nicht bei Anderen.

    Meine Frau ist auch eine von den Typen, die eher dem Ideal von vor ein paar Jahrhunderten entsprechen, aber ganz ehrlich: Für mich ist sie einfach die schönste. Passt einfach alles zueinander und das ist die Hauptsache. Und ja, ich glaube sie hat auch einen ziemlich ausgefallenen Modestil.

    Insofern: Occupy das eigene Hirn und die eigene Wahrnehmung. :-)

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