Samstag, 29. Oktober 2011

Gedankenskizze: Performanzplattformen

Meinen letzten Post habe ich zur Plattformneutralität und Liquid Identity geschrieben.
Die relevante Definition von Plattformneutralität, vor allem im technischen Sinne in Netzwerken etwa wurde von mspr0 geliefert. Schöne Inspiration. Er führt diesen Begriff als piratige Parallele zur grünen Nachhaltigkeit. Soweit so gut.

Nun möchte ich allerdings den Aspekt der kulturellen oder auch perfomanten Plattformneutralität aufgreifen den ich schon im letzten Post mit dem Beispiel Schützenfest aufgegriffen habe. Gerade im Bereich der Geschlechter ist es von dem Anfang der Erziehung üblich, die Gestaltung der Umgebung, Kleidung, des Spielzeuges und auch des Erziehungsstils an das Geschlecht des Kindes auszurichten. Ausnahmen breiten sich zwar langsam aus, doch meines Erachtens ist das nicht ausgestorben und noch recht ausgeprägt  in der einen oder anderen Variation leider noch sehr oft Usus. Die Folgen dessen wurden auch im Zusammenhang mit den Gender Studies auch ausreichend beleuchtet und erörtert.
Soweit so gut.

Jedoch kann man das Genderdings auch nur als eine von vielen perfomanten Plattform sehen, welches austausch- und unter Umständen formbar ist. Ich kann als Kind beigebracht bekommen, dass es zwar als Mädchen oft üblich ist im rosa Spitzenkleidchen rum zu rennen und mit Puppen zu spielen. Jedoch steht es mir nach belieben frei dieses Spitzenkleid im Sandkasten zu tragen oder gar gegen ein Einhornkostüm auszutauschen oder sich als Pirat zu verkleiden und den Nachbargarten zu kapern. Dann hat man Plattformen vor sich die unter anderem auch das Geschlecht, Gender oder auch Interessen, soziale Botschaften von Klasse, Rasse oder irgend einer anderen gebräuchlichen Schublade unserer Gesellschaft darstellen. Ein Mensch der heute nach dieser Weltanschauung agiert, hat natürlich bessere Karten als vor 50 Jahren. Damals wäre man mit einigen gesellschaftlichen Reaktionen in Berührung gekommen, die diese Diversifikation von Perfomanz als kontraproduktiv bewertet und daher als nicht wünschenswert sanktioniert haben.

Heute wandeln sich die Voraussetzungen für die freie Wahl des perfomanten Plattform gewaltig. Gerade Menschen die mit der Netzkultur groß geworden sind oder sie gar mit geprägt haben, sind hier gewaltig im geistigen Vorteil. Und wie Mr. mspr0 schon gesagt hat, dass die Plattformneutralität per se ein schöner Überbegriff für piratiges Denken ist, da kommen wir schon zum Kern meines Pudels den ich hier präsentieren möchte. Es wäre eben gegen eine performante Plattformneutralität sich für Quoten innerhalb der Piratenstrukturen oder wo auch immer zu engagieren, es wäre kontraproduktiv die eigene Energie mit einem angeschwätzten Frauenproblem zu verschwenden während das Problem ganz wo anders liegt. Es liegt viel mehr an den Piraten dabei zu helfen einen tiefgreifenden Diskurs zu starten bezüglich der Rollenbilder für Menschen und der Illusion einer statischen Persönlichkeit die leider immer noch in vielen Köpfen steckt (siehe Nymwars et al.).

Wer an eine statische Persönlichkeit glaubt, der denkt auch man müsse kleinteilig für viele verschiedene Gruppen Lobbys betreiben um irgendwann eine gedachte Gerechtigkeit für alle herzustellen. Und da habe ich ein gewaltiges Problem mit. Ich sehe lauter Fachidioten die an einigen Stellen zwar Überschneidungen und Zusammenarbeit pflegen, jedoch ihre Äcker immer benennen und die Abgrenzung dennoch tätigen um ihr Arbeitsfeld auch immer wieder zu erkennen. Dieser Denkfehler erinnert mich auch an den fatalen Gedanken "wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht.". Ob dabei ein gemeinsamer, gerechter Nenner herauskommt, das ist eine vollkommen andere Geschichte.

Dabei ist es doch so einfach: Geben wir doch einfach die Plattformen des Lebens, sei es die im Netz, die im gesellschaftlichen Leben oder auch im privaten Gestaltungsrahmen frei. Lassen wir Begrifflichkeiten erst mal los. Dadurch werden sie nicht vernichtet, sie verlieren jedoch ihre dogmatische Wirkung. Dies ist sehr wirksam wenn es darum geht, Geschlechterklischees in etwa abzubauen: Ein Mensch der gerne rohes Rindfleisch ohne Pflanzenbeilage isst, muss kein kerniger Macho sein und ein Mensch der gerne "My little Pony" guckt muss kein kleines Mädchen sein. Gerade im Humor haben wir immer wieder Botschaften die zwar flockig und witzig gemeint sind, aber tiefer greifen als so mancher es sich zuerst eingestehen mag. Knüpfen wir doch lieber zum Beispiel die kernigen Dinge etwa an "für wenn man sich männlich fühlt" als an "nur für echte Kerle". Savvy?

Barrieren im Kopf und auch auf so manchem Papier sollten beseitigt werden, egal ob der freie Zugang zum Netz gemeint ist oder der freie Zugang für jeden interessierten Menschen in einen x-beliebigen Kulturpflegschaftsverein oder auch ins Management. Whatever. Taten und Entscheidungen führen mich auf eine gewünschte Plattform oder auch nicht. Die Ausgangsposition sollte so gut wie irrelevant sein. Das Ziel ist viel interessanter und wandelbarer.


1 Kommentar:

  1. Blogpost me gusta.

    Zum Spielzeug fällt mir spontan ein: Wir sind die Generation Lego/Playmobil. Das ist ja sowohl technisch, hat aber auch Puppen an Bord.
    Ich glaube insgeheim dass sich Jungs und Mädchen ihr Spielzeug selber aussuchen und es häufig (nicht immer) dem Klischee entspricht. Eltern (und Grosseltern) neigen aber glaube ich dazu, in einer Art Vorauseilendem Gehorsam den Kids das zu geben, von dem sie erwarten dass ein Junge/Mädchen damit zu spielen hat, und die erfüllen diese Erwartungshaltung unbewusst.


    Den Absatz "Wer an eine statische Persönlichkeit glaubt..." finde ich übrigens sensationell.

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