Es scheint mir, als ob manche bei der Diskussion um die Klarnamenspflicht bei Google+ gerne bei Menschen die gerne pseudonym oder gar anonym kommunizieren an ein Quasi-Rumpelstilzchen denken welches einem das ungeborene Kind und die Nerven wegtrollen möchte.
Dabei haben Fürsprecher der Pseudonymität bereits genügend hervorragende Argumente hervorgebracht welche fundiert und plausibel für jeden verständlich sind. Dazu kommt, dass Google sich erst dieses Jahr im Februar großzügig zur Pseudonymität und dem Recht zu sein wer oder was man möchte, bekannte. Um den Gedanken an "be whoever you want to be", auszuweiten und zu konkretisieren, möchte ich folgendes feststellen:
Der Mensch von heute benötigt mehr wie nie, das verbriefte Recht auf liquide/flexible Identitätsstiftung. Nicht nur als ungeschriebenes Gesetz der sozialen Interaktion, sondern als der Freiheit zugehörigen Entfaltungs- und Lebensmöglichkeit.
Was mir bei dieser Pseudonymitätsdebatte eben noch ein wenig fehlt ist der Gedanke an Rollen die jeder Mensch Tag ein Tag aus ausfüllen muss und spielt. Schon bevor es sogar das Telefon gab. Der Mensch verhält sich nun einmal nicht in jeder Situation gleich. Der Kontrast zwischen dem Berufsleben und der Freizeit ist hier natürlich das beste Beispiel. Manche Berufe verlangen sogar eine Pseudonymität ab, um entweder einem gewissen Bild für das Publikum zu entsprechen, Lebensumstände können einem einen neuen, nicht amtlich erfassten Eigennamen verpassen oder auch einfach das Bedürfnis seinen Namen an das gefühlte "Ich" anzupassen.
Und hier kommt etwas, dass ich Liquid Identity nennen möchte ins Spiel:
Es ist unmöglich als Mensch immer die gleiche "Identität" zu sein. Gestern nicht und vor allem heute nicht mehr. Wie ein Chamäleon passt man sich an Personen, Situationen und Bedingungen an. Und dann kam das Internet. Schon allein die stark erhöhte Reichweite die man dort erreichen kann, ist es für viele Menschen angenehmer sich ein Autonym (selbst gewählter Name) zuzulegen um nicht gleich sein physikalisches Leben eventuell (negativ) beeinflussen zu lassen.
Eigentlich könnte man diese Haltung mit der strikten Trennung zwischen dem Berufsleben und der Privatsphäre die viele Menschen gerne aufrecht erhalten. Man möchte einfach in der einen Welt und der anderen genauso seine Ruhe haben und die Dinge erledigen können die eben anfallen. Überkreuzungen sind eben nicht immer erwünscht oder werden gerne gesteuert. Nicht immer freut man sich wenn die Mutter auf der Arbeit anruft, während man gerade mit einer stressigen Aufgabe kämpft. Da sollen die privaten Anliegen eben warten.
Und dann kommt noch der Aspekt der Namensouveränität im Netz dazu. Ein Pseudonym gibt dem Individuum die Macht in die Hand sich selbst zu benennen. Unabhängig von Eltern, Vorfahren und Gesetzen. Er kann seine Selbstbezeichnung frei wählen und kommuniziert einiges über sich selbst, das ein "Herrmann Müller-Schmitt" niemals kommunizieren würde. Und ganz ehrlich: wenn ich jetzt mal wieder zu den gefürchteten Trollen zurück komme. Mal ehrlich: Wenn ich trollen wollte in einer Karnamenspflichtigen Umgebung: Dann gebe ich mir einen tollen "real" klingenden Namen und treibe halt statt als "n00bbash0r42" eben als "Klaus Maiermüller" mein Unwesen. Kein Problem. Der bürgerliche Name scheint wie ein seriöser Anzug des Internets. Er sieht zwar schick und vertrauenswürdig aus, aber was drin steckt erfährt man oft erst später.
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