Sonntag, 8. Mai 2011
Antwort auf den "Aufruf an die Generation Digital!"
Disclaimer: Der Inhalt dieses Textes ist subjektiv gefärbt. Er stellt meine Sichtweise und Wahrnehmung bezüglich der dargestellten Situation dar. Wenn es konstruktive Verbesserungen, Ergänzungen geben sollte, sind diese stets willkommen.
Ein Essay aus der Financial Times von Gunter Dueck hat mich zum Nachdenken angeregt. Es ist die Rede von einer großen Aufgabe für eine Gruppe die gerne "digital Natives" genannt wird welche die Welt von Morgen erschaffen muss. Es ist die Rede von einer Infrastruktur namens Internet, welche nicht einem einzigen klassischen Ressort einer Regierung zuzuordnen ist, sondern allumfassend in unser Leben eingreift. Soweit, nochmal so gut.
Allerdings möchte ich zuerst als Mensch des Netzes dieser Sichtweise die zwar informiert aber dennoch scheinbar eine Außenansicht darstellt, zwei Dinge korrigierend hinzufügen:
1. Der Begriff digital Natives ist gut gemeint, jedoch ist es schon bei der Definition dieses Begriffes sehr problematisch im Bezug auf die Realität. Landläufig wird unter einem "digital Native" ein Mensch verstanden, der nach 1980 auf die Welt kam und somit selbstverständlicher mit der Kommunikationstechnologie von heute umgeht, als etwa jemand der 1957 das Licht der Welt erblickte. Hier werden schlichtweg die Gründer der digitalen Welt und ihrer Ideale, Werte und Gepflogenheiten ausgelassen. Mich wundert dies, da ich Herrn Dueck selbst diesen Gründern zuordnen würde. Da man nicht alle Personen in der digitalen Welt nicht einer Generation per se zuordnen kann, möchte ich lieber von digitalen Menschen sprechen (Wer sich übrigens zu den Gründern der digitalen Welt informieren möchte, der surfe diese Seite an. (Achtung, englische Sprache und viel, viel Inhalt!))
2. Das Internet, unsere digitale Welt ist eine zweite Dimension unserer Realität. Diesen Aspekt vermisse ich als explizit ausgeschriebene Aussage. Erst wenn man sich dieser Qualität bewusst wird, kann man auch verstehen was einen Menschen wie mich oder meine Peergroup dazu treibt "ständig an einem Gerät zu hängen". Es ist für uns genauso wie ein Gang auf die Straße zum nächsten Cafe um dort mit unseren Freunden einen Kaffee zu trinken und noch ein paar Einkäufe hinterher zu tätigen. Nur können wir dies in der physischen, wie auch in der digitalen Welt. Gleichzeitig. Dass beide Realitäten einander beeinflussen und bedingen ist hierbei eine Selbstverständlichkeit, wie auch von Dueck im Essay impliziert.
Nun zum Eingemachten:
Dieser Artikel, genauso wie der viel beachtete Vortrag des Autors auf der 5. re:publica in Berlin, spricht vor allem vom Immateriellen. Hier geht es um Denkweisen, Verfahren, Bildung und die Umstrukturierung der Gesellschaft. Jedoch fehlt mir hier wiederum eine sehr wichtige logische Voraussetzung: Um etwas zu verändern und diese Veränderung in eine langfristige, gelebte Realität umzusetzen, benötigt man physische Manifestationen. Ich rede hier nicht von Serverfarmen und meist gemieteten Hackerspaces, sowie wissenschaftlichen Instituten an Universitäten. Ich rede hier von organisierten, in der physischen Welt verankerten Institutionen die gesellschaftliche Aufgaben übernehmen und von der Gesellschaft in irgendeiner Weise getragen werden. Die von mir aufgezählten Instanzen Serverfarm, Hackerspace oder wissenschaftliches Institut sind zwar halb willkürlich gewählt, jedoch repräsentativ für die Entwicklung der digitalen Welt und dessen Kultur und Politik:
1. Ohne die Serverfarm wäre das Gedächtnis im Netz nicht so effektiv und vor allem nicht so "unvergesslich" wie wir es kennen.
2. Hackerspaces wie die berühmte c-base in Berlin etwa, stellen für mich unabhängige Instanzen zur individuellen Bildung, Weiterentwicklung und Kulturarbeit in der Hacker/Nerd/Geek Welt dar. Sie sind meist in sich gekehrte, jedoch meist sehr kreative Orte die ihre Energie über ausgewählte Kanäle auch nach außen tragen können.
3. Das wissenschaftliche Institut an einer Universität stellt für mich die wirkliche Geburtsstätte der digitalen Welt von heute dar. Sie vereinigt die Serverfarm und das Hackerspace in ihrer Geschichte: Man denke an die ersten Hacker vom MIT, welche aus einer Tüftlerkultur der Modelleisenbahner einerseits, und auch der Amateurfunker erst an nicht vernetzten und dann vernetzten Rechnern die digitale Kommunikation und die einhergehende Kultur quasi empfingen.
Diese Instanzen sind virtuell und physisch, jedoch meist einer Abhängigkeit unterworfen:
Die Serverfarm, das Hackerspace oder das wissenschaftliche Institut muss in einer dafür passender Räumlichkeit untergebracht werden. Diese Räumlichkeiten sind in der Regel angemietet und/ oder von Dritten betrieben und verwaltet. Man ist Reglementierungen unterworfen, die je nach Standort liberal oder repressiv sein können. Um jedoch nachhaltig eine Veränderung in der Gesellschaft und eine Anpassung an die neuen Realitäten im Sinne des Verfassers herbeizurufen, benötigt es jedoch vielleicht sogar ähnliche Bedingungen die wir vom Kölner Dom her kennen: Sie müssen sich selbst gehören. Abhängigkeiten gefährden mehr oder weniger die Fortdauer und Entwicklung einer Instanz. Wenn diese nicht nur fortdauernd sondern auch gesellschaftlich formend aktiv sein möchte, dann gehört eine physische Manifestation in Form von Besitz dazu. Besitz der auch Entscheidungshoheiten mit sich bringt. Wer oder was diese Hoheit ausübt, ist eine andere Frage. (Ich persönlich würde es zum Beispiel gerne basisdemokratisch und genossenschaftlich verwaltet sehen.)
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal einen Punkt aus Duecks Essay herauspicken, nämlich seinen starken Fokus auf die Ökonomie. Diese ist in der Tat eine wichtige Grundlage für das tägliche Leben, dennoch wird diese in der heutigen Zeit etwas übergewichtet. Die neue Gesellschaft muss sich auch der Kultur bewusst sein die sie prägt und trägt. Kultur ist das Gedächtnis der Menschheit. Ohne diese keine Ökonomie, denn diese ist streng genommen auch nur ein Arm der Kultur. Die Bewahrung und Entwicklung des Menscheitsgedächtnisses ist von höchster Wichtigkeit. Vor allem vor dem Hintergrund der schnellen Verderblichkeit viele unserer Datenträger dessen wir uns nicht immer bewusst sind. Es folgt ein historisches Beispiel bezüglich der Gedächtnisbewahrung in einer vereinfachten und sicherlich unvollständigen Form:
Da ich mich derzeit intensiv mit der mittelalterlichen Klosterkultur beschäftige, werde ich aus diesem Bereich ein hoffentlich einleuchtendes Beispiel schildern:
Die Klosterkultur entstand primär als Ausdruck des konsequent gelebten Christentums um die Zeit der Völkerwanderung herum. Es war eine sehr bewegte Zeitenwende, das Leben war alles andere als sicher und behütet. Die Paradigmen wurden gerade von "heidnisch" zu "christlich" verschoben und allerhand Horden zogen kreuz und Quer durch Europa. Meine Professorin meinte hierzu einmal: "Damals gingen in Europa die Lichter aus." Jedoch brannten hier und da hinter dicken frisch errichteten Klostermauern streng bewacht, manche Lichter weiter. Es gab schlicht und einfach Menschen, welche ihr Leben dem Bewahren und der Pflege von Information widmeten. Das dies primär religiös motiviert war, sei erst mal dahingestellt. Das aus dieser Wissensbewahrung und Pflege eine sehr mächtige katholische Kirche entstand, ist wiederum eine sehr beachtenswerte Tatsache. Und wie konnte eine Bewegung im alten Rom beispielsweise von einer verfolgten Gruppe zur dominierenden Kultur heranwachsen? Konsequente Organisation und physische Manifestation. Wir haben hier also eine Parallele bezüglich einer gesellschaftlichen Umwälzung zur Betrachtung vor uns.
Ob unsere derzeitige Veränderung der Welt durch meine Peergroup (digitale Menschen) sich in eine digitale Machtkrake wie die Kirche entwickelt, oder bei ihren demokratischen und menschenfreundlichen Idealen bleibt, ist eine Frage die nur zukünftige Generationen beantworten können. Jedoch ist hier ein praktisch gangbarer Weg als Idee hier vorgezeichnet. Das letze Wort ist dies jedoch sicherlich nicht.
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