Die Ehefrau unseres Verteidigungsministers, diese die sich letztes Jahr in der Stoppschild-Diskussion nicht mit Ruhm bekleckert hat, stößt gegen die Sexualisierung der Popkultur vor. Manche ihrer Aussagen ergeben hier durchaus Sinn, denn Teile der Popkultur sind in der Tat sehr verroht was die kulturelle Auseinandersetzung mit Sex und Erotik und auch Beziehungen angeht. Wenn Rapper mal wieder Menschen mit XX-Chromosom mit rüden Worten beschimpfen, wird es durch die Routiniertheit dieser Motive langsam langweilig für den betagten Zuhörer jenseits der 30. Gab es doch nicht schon früher in der gitarrenbetonten Musik, dem Punk und dem Metal, solche Anwandlungen. Schließlich ist die Riot Grrrl Bewegung Anfang der 90er Jahre ein Produkt dieser Welle des Sexismus in der Musik. Doch Riot-Rapperinnen sind in der Mainstreamkultur wenig sichtbar. Gibt es zwar eine Missy Elliot oder auch die Balkan-Rapperin Miss Platnum, die Weiblichkeit im beliebten Hip-Hop etwas differenzierter darstellen, aber mehr leider nicht. Eine Lady Bitch Ray ist hier vielleicht noch anzuführen, allerdings ist diese mehr ein Clown mit Brüsten als eine erstzunehmende Dame mit Gegengift zum tumben, unaufgeklärten Sexismus der üblichen Rappergestalten. Schade auch. Natürlich möchte ich hier nicht die wohl im Untergrund aktiven Damen mit Wortwitz nicht verschweigen, doch werden diese wohl eher von Kennern wahrgenommen, als vom Mainstream.
Dort gibt es Rampenlicht für Damen wie Lady Gaga, Beyonce und Konsorten. Damen, die allesamt sich gerne sexy, kontrovers und körperbetont im Video und auf der Bühne zeigen. Doch neu ist diese Sexualisierung sicher nicht. In den 80ern regte schon Madonna mit sexy Outfits etwa auf, eine Tina Turner stellte durchaus eine erotische Gesangsgöttin mit Stil und Power dar und Doro Pesch heizte der Langhaarfraktion als sexy Lederlady vor allem optisch ein. Sexualität hatte in der Popkultur schon immer seinen festen Platz. Was ist denn mit Josephine Baker oder den Can-Can-Damen des Moulin Rouge?
Der Unterschied zu früheren Zeiten und der Brisanz der heutigen Lage bezüglich Jugendlicher ist wohl die Verfügbarkeit solcher Inhalte in Ton und Bild. Das Internet macht es nun einmal einfacher für Jugendliche sich "verbotene Inhalte" anzuschaffen und zu konsumieren. Doch dieser Drang nach verbotenem Kulturmaterial ist wohl auch nicht gerade brandneu. Jugendliche besorgten sich immer gerne verbotene Horrorfilme, indizierte Punkalben oder fiese Metalscheiben zu der jeweiligen Zeit. Doch dank Internet muss man nicht mehr auf ein ausgeklügeltes Netzwerk im realen Leben zurückgreifen sondern lediglich einschlägige Seiten ansteuern.
Die Entsetzenschreie der Obrigkeit von heute haben natürlich nicht nur den Jugendschutz per se im Sinn, sondern auch die Reglementierung der Medienlandschaft an sich. Wo es früher mehr um Indizierung auf Sperrlisten ging, die Verkäufe unter den Ladentisch verbannten, sind Instrumente wie der höchst unsinnige Jugendmedienschutz Staatsvertrag zu verteidigen. Sorgenvolle Eltern finden durch solche Argumentationsketten wie zum Beispiel von der Blonden Lady an Herrn Verteidigungsministers Seite, Bestätigung und Beruhigung. Wenn man das Netz dann schön mit Sendezeiten belegen kann, dann sind die Kleinen auch nicht mehr in der Lage sich immer und überall böse Inhalte anzueignen. Schließlich ist die gesunde Entwicklung des eigenen Kindes ein sehr wichtliges Anliegen für alle Eltern.
Jedoch sieht es hinter dieser Fassade der Kinder- und Jugendsicherheit etwas chaotisch und planlos aus. Das Internet ist global, Sendezeiten bringen nichts aufgrund der verschiedenen Zeitzonen auf dieser unseren Welt und mit Fernsehen und Radio hat das Netz nur die Möglichkeit des Medienkonsums gemeinsam. Die Natur dieses Lebensbereiches ist gänzlich anders beschaffen: Vernetzt, versetzt und organisch. Die Kommunikationskanäle sind nicht nur pyramidenartig angeordnet, sondern bilden eher ein riesengroßes, weltumspannendes Spinnennetz. Dort ist es nun einmal nicht möglich Kontrollen zu installieren um lokalen Bedürfnissen gerecht zu werden, ohne der Natur des Netzwerkes zuwider zu handeln. Sämtliche Schikanen, unsinnige Maßnahmen und Reglementierungen sollen hier erst gar nicht erwähnt werden.
Vielmehr sollte das Problem des eher dümmer werdenden sexuellen Popdiskurses hinterfragt und diskutiert werden. Weise Menschen wissen, dass Popkultur in Wellen funktioniert. Seien diese stärker oder schwächer in ihrer jeweiligen Ausprägung. Die jetzige Generation mag zwar noch von Hinterteilen und Brüsten von Damen dominiert sein, doch wird es eine Übersättigung geben. Nachwachsende Teenager werden sicherlich, auch ohne religiösen oder moralisierenden Überbau als Hilfestellung, diese Sexsalven als albern und übertrieben wahrnehmen. Die Darstellungen werden raffinierter, intelligenter und gleichzeitig reizvoller werden. Meine Generation wird dessen dankbar sein. Denn Sex ist auch für Jugendliche ein wichtiger Punkt der Auseinandersetzung mit dem Leben an sich. Vielmehr sollte dieser Diskurs zur Sexualität gefördert werden. Mit offenen Augen. Denn wo keine Tabus bestehen können weniger Exzesse stattfinden.
Die Sprengkraft des etwaigen Exzesses wäre nicht vorhanden und daher eine Sinnlosigkeit gegeben; bar jeder Faszination. Auch dann wird es möglich werden ohne Angst vor Bloßstellung oder ähnlichen Repressionen vor der Gesellschaft zu leben. Wo Sex so normal ist wie das Kaffekochen, wird keiner durch Abbildung in einer "riskanten Situation" erpressbar. Daher hat die starke Sexualisierung auch seinen Nutzen. Lediglich die Ausrichtung und Wahrnehmung hinterher sollten überdacht und geändert werden. Darin liegt dann auch die Lösung für das Problem mit den übersexualisierten Jugendlichen. Kids, die zwar Sex probieren, aber ohne dem Beigeschmack von gleichzeitiger Abwertung durch diese Handlungen, freier in ihrer Entfaltung und besser gerüstet für ein ausgeglichenes Sexualleben. Sexismus, Rassismus und Homophobie haben dann nichts mehr zu suchen und sind vielmehr eine Randnotiz aus früheren Zeiten in den Köpfen geistig gesunder Menschen.
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