Montag, 5. Juli 2010

Von Kindern, Rauchern und Brettern vorm Kopf

Vorab möchte ich hier betonen, dass beide Themen hier nicht "vergichen" werden, sondern lediglich zwei Streitpunkte und zwei Lösungsansätze besprochen werden.

Gerade hat Bayern sich per Volksentscheid für ein striktes Rauchverbot in der Gastronomie ausgesprochen. Schön, mag man sagen. Dann werden die Nichtraucher weniger vom Qualm belästigt und die Raucher können es sich mal endlich abgewöhnen, diese Selbstvergiftung.

Halt.

Was hier geschieht ist eine Bevormundung. Genauso wie Prohibitionen gegen Alkohol und andere Geschichten dieser Art. Erwachsene Menschen sollten die Wahl haben das zu tun, was ihnen in den Sinn kommt. Solange kein Anderer dabei zu Schaden kommt oder durch Belästigungen beeinträchtigt wird. Das Zauberwort heisst Rücksicht und kluge Regelungen für ein sinnvolles Zusammenleben zu schaffen. Ein plakatives Beispiel für erfolgreiche Planung und Rücksichtsnahme ist im Londoner U-Bahn System zu finden. Jeder kennt die dort geltende Rolltreppenordnung. Wer gemütlich fahren möchte, steht rechts, die Eiligen hasten links unbeirrt vorbei. Keiner motzt, meckert oder hat sonstige Beanstandungen. Jeder ist zufrieden in seinem Bereich. (Leider hat man das in Deutschland nicht flächendeckend kapiert, was für mich ein Zeichen der fehlenden Weitsicht darstellt.)

Auch bei Angelegenheiten des Rauchens in Kneipen, Bars oder Restaurants: Wenn jede Gruppe sein Lokal hat, welches er zur Befriedigung seiner Bedürfnisse unbehindert aufsuchen kann, ist doch alles in Ordnung. Die Raucher, samt rauchende Bedienungen bekommen entsprechende Lokalitäten, Nichtraucher können in Nichtrauchergastronomien sich ungestört aufhalten und sich freuen. Wo liegt da das Problem? Ich kenne sogar einige (militante) Nichtraucher, die diese sehr einschneidende Regelung in Bayern stark kritisieren. Der Tenor lautet: "Manchmal bin ich halt mit Rauchern unterwegs und bin genervt wenn wegen Verboten das Gespräch, die Stimmung, der Abend wegen Raucherpausen vor der Tür unterbrochen werden. Dann ertrage ich lieber für einen geselligen Abend einmal etwas Qualm, als das bürokratische Regelungen meinen Kneipenabend beeinträchtigen."

Hier geht es um Rücksicht und gute Organisation, die von beiden Seiten aus durchaus einfach und sinnvoll kultiviert werden kann. Wir haben hier in NRW ja die Raucherclubs, die sicherlich auch nicht Bedienungen anstellen welche Rauch abgrundtief hassen. Wenn dies doch der Fall sein sollte, dann könnte man doch für betroffene Angestellte Börsen einrichten, in denen Arbeitsplätze getauscht werden. Denn sicherlich gibt es auch Raucherkellner die in einem Nichtraucherlokal gerne mal zwischendurch eine qualmen würden. Kreativität, Vernetzung, Austausch und einfach REDEN. So wird einem geholfen. Autoritäre Gesetzgebung, auch wenn durch einen Volksentscheid herbeigeführt, sind nicht zufriedenstellend. (Von der geringen Wahlbeteiligung einmal abgesehen - wie repräsentativ ist das denn?)



Eltern und Kinderlose können auch mitunter zwei aneinander prallende Fronten bilden: Zur Zeit tobt in Hamburg ein Kleinkrieg um eine Kindertagesstätte in einer Villengegend. Die Diskussion finde ich teilweise befremdlich. Denn es wird hier und dort rumgebasht, der Lärm wäre unerträglich, die Parkplatzsituation wird angeprangert. Okay, hier wird eine Ist-Situation zum Zankapfel. ABER wenn sich gesamtgesellschaftlich die Hirne über den Tellerrand wagen würden, könnte man einige sehr sozial verträgliche Lösungen finden, die jeden zufrieden stellen könnten.

Ich war lange Jahre ein Mensch der Kinderlärm so schlimm Wie Baustellenlärm wahrnahm. Mittlerweile bin ich da etwas toleranter geworden. Allerdings ist der Lärmpegel eines Kindergartens nicht unerheblich. Gesetzgebungen bezüglich einer verordneten Toleranz von kinderlosen Mitbürgern bringt hier rein gar nichts, außer mehr Unmut und auch teilweise gesundheitliche Beeinträchtigungen. Denn Lärm macht krank. Egal welcher. Das Deutschland ein Land der alten Menschen ist, das kann man nicht von der Hand weisen. Nachwuchs ist ein sehr dringendes Thema, welches nicht einfach aus Lärmschutzgründen vom Tisch gewischt werden sollte, weil Villenbewohner ihre Ruhe nicht einbüßen möchten. Andererseits wäre eine kluge Städteplanung hier die besser Lösung als von Menschen einfach "mehr Toleranz" abzuverlangen. Denn wenn Leute mit verschiedenen Bedürfnissen aneinander prallen - gibt's eigentlich fast immer Streitereien auf verschiedenen Ebenen. So ist es einfach. Da helfen keine Postulate.

Also könnte man doch vielmehr hingehen und explizit familienfreundliche Wohngegenden anbieten, die Familien mit Kindern anlocken und dort ein angenehmes Biotop zum störungsfreien Alltag mit Kindern erleichtert. Gesetzliche Regelungen halte ich hier für unangebracht. Vielmehr sollte durch die Schaffung von angepasster Infrastruktur den Familien die Möglichkeit bieten, sich in einer Wohngegend niederzulassen in denen alles auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist.

Andererseits haben auch Menschen ohne Kinder das Recht auf ihre wohlverdiente Ruhe. Das ist genauso Fakt. Kinderlärm kann sehr heftig auf die Nerven schlagen und die Lebensqualität versauen. Daher kann es nebst Familiengegenden auch Wohngebiete geben, welche auf die Wünsche und Notwendigkeiten einer ruhigen Wohngegend zugeschnitten werden. Ohne Kitas, (Grund-)Schulen und Spielplatzen.
Es könnte dann wenn es sich um ältere Menschen handelt mehr Angebote für Diese geben, oder in Studentenvierteln entsprechend gestaltet werden.
Dafür andere Möglichkeiten angeboten bekommen die ihren Freizeitaktivitäten förderlich sind. Und das sollte nicht nur für Luxusclientel gelten. Auch junge Studenten und kinderlose Berufseinsteiger wollen in ihrer Freizeit nicht ständig von Kinderlärm belästigt werden.

Eine solche städtebauliche Planung könne auch die Verwirklichung von entsprechenden Projekten entgegen kommen. Familienviertel könnten Gastronomen und Geschäftsleute anlocken, die sich auf die Bewirtung von Familien mit Kindern spezialisieren und somit eine glückliche Zielgruppe antreffen. (Rauchen wäre ganz richtig verboten.) Freizeitangebote werden Maßgeschneidert realisiert. Der Zufriedenheit würde dies sehr zu Gute kommen.

Ich selbst würde mich sehr freuen, wenn es Urlaubsangebote jenseits der Teuer-Luxus Grenze mehr für Kinderlose, Ruhebedürftige gäbe. Denn wenn ich nach harter Arbeit meinen wohlverdienten Urlaub antrete, dann erwarte ich auch urlaubsangemessene Ruhe. Das brauche ich, um hinterher erfrischt und ausgeruht zum Arbeitsplatz zurückzukehren. Da sind laut spielende Kinder einfach nicht sehr prickelnd. Ich hab mal zu dem Thema recherchiert und stieß auf wilde Diskussionen über Diskriminierung und Kinderfeindlichkeit. Naja, ist das Universaltoleranzgebot für Kinder nicht auch Diskriminierung für Ruhebedürftige?

Menschen haben in verschiedenen Lebensabschnitten nun einmal verschiedene Bedürfnisse. Diese durch entsprechende Angebote bewusst zu bedienen, das ist für mich ein besserer Lösungsansatz. Denn Kinder sind unsere Zukunft und sollten auf jeden Fall gefördert werden und angenehme Bedingungen erfahren. In entsprechenden Familiengegenden wäre dies dann auch sehr leicht zu bewerkstelligen.

Allerdings möchte ich hier schon eventuellen Einwürfen zu einer eventuellen "Ghettoisierung" entgegenwirken und betonen, dass das Angebot für bestimmte Zielgruppen nicht gleich ein "Einsperren" oder "Aussperren" darstellen sollte. Es geht mir hier mehr darum, die freie Wahl nach einer Umgebung zu fördern, um den Menschen das Zusammenleben zu erleichtern. Partielle Durchmischung durch jeweils tolerante Zwischengruppen wäre hier durchaus erwünscht.

Denn: freut sich nicht jeder ein Angebot zu finden, das genau auf seine Bedürfnisse passt und "unerfreuliche" Nebenerscheinungen ausblendet? Ich denke das ist selbstredend.

Leben und leben lassen ist denke ich immer noch, ein sehr kluger Ausspruch zu vielen Streitpunkten. Es muss nur noch, daran gekoppelt, der kategorische Imperativ dabei gelten.

Im Übrigen, wenn ich jetzt Alleinherrscher über Deutschland wäre, dann würde ich mit Vergnügen ein Kaugummiverbot erlassen, denn manche gesprenkelte Kaugummistrassen sind nicht gerade eine Augenweide. Von den ganzen "Wiederkäuern" die nicht sehr elegant daherkommen, ganz abgesehen. Der Geruch ist für mich ebenfalls nicht sehr betörend. Allerdings ist dies, obwohl es in Singapur mal so eine Gesetzgebung gab, nicht durchsetzbar. Es wäre einfach entmündigend.

Ich hoffe, einige Denkanstöße gegeben zu haben.


Nachtrag:
Bei Herrn Leibowitz gibt es einen sehr lesenswerten Beitrag zum Raucherproblem.

2 Kommentare:

  1. Das Problem bei den Rauchern ist: Sie üben diese Rücksicht nicht und es kommen Andere zu schaden.

    Wie selbstverständlich muß ich als Nichtraucher überall erdulden eingeräuchert zu werden. In einem drogenfreien(!) Café ebenso wie als Kind(!) im Reisebus. Es wurde nicht einmal Rücksicht genommen, als es mir in dem rauchgeschwängerten Bus übel wurde. Ich muss den Rauch an der Bushaltestelle ertragen, wo er bei winterkalter Luft gleich doppelt auf die Lunge schlägt ... ich muss ihn beim Essen im Restaurant ertragen, denn schließlich kümmert sich der Nebentisch nicht um etwaige Nichtraucher in der Nähe. Jede höfliche Bitte doch woanders zu rauchen, wird gleich als direkter Afront aufgefasst.

    Raucher sind Süchtige, die in 90% der Fälle ihre Sucht ganz hemmungslos auf Kosten der Anderen ausleben.

    Das harmonische Miteinander von Rauchern und Nichtrauchern wurde Jahrzehntelang getestet und es funktioniert nicht. Auf Kosten der Nichtraucher.

    Wenn Raucher sich auf ihre vier Wände beschränken würden und dort dann auch keine Kinder dabei sind. Meinetwegen. Darüberhinaus möchte ich nicht gezwungen werden, meine Gesundheit und mein Wohlbefinden der Sucht Anderer zu opfern.

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  2. Mela, da hast du recht. Ich finde als Raucher jetzt, dass einige zu wenig Rücksicht nehmen. Wenn mich jemand darum bittet nicht zu rauchen, dann sehe ich es als Selbstverständlichkeit an, nicht zu rauchen.

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