Donnerstag, 29. April 2010

Spießerey im 21. Jahrhundert

Es gibt zwei Arten von Spießern. Die einen wollen konservative Werte beibehalten und schränken sich selbst damit ein. Die Anderen wünschen sich einen besseren Umgang miteinander um sich gegenseitig weniger einzuschränken.

Ja, ich bin ein Spießer geworden. Hab eine Drei vor meinem Alter und die Sturm und Drang Phase habe ich ebenfalls hinter mir gelassen. Dies macht mich jedenfalls nicht weniger abenteuerlustig oder phantasievoll. Ich gehöre sicher nicht zu den Leuten, die ab einem gewissen Alter nicht mehr ihre Science-Fiction Bücher lesen, da das doch nur Traumtänzerei der Jugendjahre wäre, oder nur noch in gedeckten Farben durch die Straßen huschen um ja nicht gesehen zu werden. Allerdings habe ich mit der Zeit einen kleinen Spießer in mir aufwachsen sehen. Vor allem, wenn es um Rücksicht auf andere Menschen in dicht gedrängten Situationen geht. Sei es im öffentlichen Verkehrsmittel oder auf einer Party. Wo viele Menschen aufeinander hängen, da kann nicht jeder wie er will. Leider werden die Menschen gerade in dieser Situation manchmal maßlos rücksichtslos. Sie schreien sich gegenseitig an, anstatt normale Gespräche zu führen. Kopfhörer scheinen out zu sein, denn man möchte seinen Musikgeschmack mit anderen Leuten teilen. Ich habe sogar jüngst ein älteres, sehr gepflegt daherkommendes Pärchen beobachten dürfen, welches tatsächlich auf dem Handy der Dame irgendwelche Aufzugdudelmusik hörte. Laut. Die Menschen scheinen im Umgang miteinander in der Masse ungehemmter und zwangloser zu werden. Das umherschwirrende Ego setzt sich gegen den Rest der dicht gedrängten Welt durch.

Andererseits setzen sich derzeit sehr konservative Wertvorstellungen in manchen Köpfen und einigen Massenmedien wieder durch. Der gute Scotty beschreibt diese schleichende Verspießerung am Beispiel des WDR sehr anschaulich. Family Values, schön deutsch und mit einem Hauch Adenauer-Ära, werden zurzeit wieder besonders liebevoll behandelt. Achja. Genauso erschreckend, ist die schleichende Rückkehr von Homophobie bei Jugendlichen (!). Für jemanden, der den größten Coming-Out-Boom in den Neunzigern mit all seinen rosa Puscheln zur Entstaubung der öffentlichen Denke mitbekommen hat, dem wird nun angst und bange. Und ich dachte, das 21. Jahrhundert wird die Ära der ruhigen Aufgeklärtheit. Stattdessen werden die Menschen immer abgeklärter.

Ich komme nicht umhin zu sagen, dass die stacheligen Spießerwerte nun auf dem Vormarsch zu sein scheinen, während die schönen, rücksichtsvollen und wirklich wertvollen Gesellschaftsregeln für eine große Masse der Gesellschaft scheinbar immer unwichtiger werden. Dies ist für mich ein Zeichen dafür, dass zu viel in dieser Welt vom Faktor „Leistung“ abhängig gemacht wird. Was genau ist das genau? Wertfrei ist es das, was man als Individuum wohl zur Gesellschaft beiträgt. Leistung wird auch gerne mit Arbeit gleichgesetzt. Wer was leistet, geht arbeiten und hängt nicht zu Hause herum und macht sich einen lauen Lenz. Schönes, gelbes Banangengewäsch. Dabei sehe ich Leistung in einem etwas anderen Licht. 1. Wer viel Arbeitet, kann durch seine Tätigkeit sehr kontraproduktiv wirken. 2. Wer keine Lohnarbeit verrichtet, aber sich kulturell oder sozial engagiert, vielleicht ein Ehrenamt hat oder im Internet eine interessante Seite betreibt, ist kreativ und trägt dazu bei, dass Andere etwas von der Existenz dieses zwar arbeitslosen aber ungeheuer produktiven Menschen haben. Von einer sturen Arbeitsbiene in der Abmahnanwaltskanzlei kann man das nicht behaupten.

Interessant ist allerdings, dass es im nerdigen und geekigen Umfeld eine Besinnung auf alte, bürgerliche Werte gibt. Nämlich die die sich um das Thema Privatheit drehen. Bemühungen um die Stärkung des Datenschutzes, des persönlichen Freiraums und des Zusammenhalts zwischen den Menschen um auf demokratischer Ebene was zu gestalten, das sind eigentlich nicht sehr radikale, rebellische Ansinnen. Priaten, CCC und ähnliche Gruppierungen sind trotz der sehr modernen Ansichtsweisen bezüglich Internet, Computerwelt und Ausdrucksformen eigentlich urbürgerliche Vereine und Partei. Satzungen werden befolgt, ausgelegt und diskutiert, Tagesordnungen und Protokolle sind alltäglich. Hier sehen wir, dass scheinbar trockene, konservative Funktionsweisen auch für produktive und progressive Zwecke gebraucht werden. Diese Bewegung ist in meinen Augen das probate Mittel gegen die negative Verspiesserung die heutzutage um sich greift. Wir müssen denen zeigen, wie es richtig geht. Mit Respekt , Herz und Verstand plus einem guten Sinn für Fortschritt die dem Menschen dient und nicht nur einzelne Egos und Geldbeutel füllt.

Samstag, 24. April 2010

Narri Narro, de Trolle sin do!


Es gibt zwei Arten von Trollerein. Die eine regt im kleineren Rahmen eines Forums oder auch eines Bloges auf, die andere eine ganze Öffentlichkeit.

Auf der re:publica gab es einen großen Aufreger. Die Trolle waren ausgebrochen. Wie scheinbar babarische Horden fielen sie über die live im Internet übertragene Diskussionsrunde zum Thema Sexismus im Internet her. Diese Trolle, früher hätte man diese auch als Narren bezeichnet, fluteten den zum Stream angebotenen Chat mit gar garstigen Worten. Spuckten sie gar Gift und Galle zum Gegenstand der Diskussion. Beschimpften das Engagement gegen Sexismus im Netz. Die Engagierten Menschen fühlten sich selbstredend beleidigt und vor den Kopf gestossen. Stellten diese Narreteien der Trolle doch ein tatsächliches Manifest des so schwelenden, digitalen Sexismus dar.

Doch was steckt dahinter? Eine maskulistische Verschwörung, welche zum Generalbacklash gegen aufmüpfiges Weibsvolk ins Felde zieht? Verhärmte, frustrierte Menschen, die den sozialen Fortschritt nicht anzunehmen gedenken?

Ich denke es steckt etwas anderes dahinter. Es handelt sich vielleicht wohl viel mehr um ein Resultat der veränderten medialen Bedingungen in unserer Welt. Musste man vor Ausbruch der Internetkommunikationswelle doch immer schlucken, dass "die da oben" aus den blitzenden und glitzernden Medienhäusern uns zum Fraße vorwarfen. Mal waren die Brocken gut und schön durchdacht. Mit Liebe aufbereitet und mit Dank einverleibt. Doch gab es auch immer garstige, gar stinkende Stücke, welche einem niemals schmecken würden. Doch vor der Interaktivität der Echtzeitkommunikation während einer Liveübertragung konnte man nur stöhnend und ächzend vor dem Bildschirm verharren, vielleicht mal seine Speisen gegen diesen werfen oder einfach ausschalten und weggehen.

Doch ändern ließ sich wenig. Post vom Publikum, mal mehr oder weniger ernst genommen, war selten von großer Wirkung. Gesehen wurde, was gedruckt oder gesendet wurde. Schluss, aus, basta!

Heutzutage bricht diese pyramidenartige Struktur immer mehr auseinander. Der manchmal genervte Zuschauer kann in Windeseile seinem Missfallen Luft machen. Gerade Übertragungen einer Konferenz, die die Echtzeitkommunikation gar so zelebriert wie die re:publica. Ober der hier betrollte Gegenstand dieser negativen Aufmerksamkeit würdig war, ist eine andere Geschichte. Jeder kennt meine Meinung zur Weiberey auf diesem Blog. Es gibt Regionen dieser Gesellschaft, da tut es Not Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern zu forcieren, an Anderen wiederum, ist es wie das Tragen von Eulen nach Athen. Und irgendwann haben die Athener die eulige Überpopulation satt.

Ich gehe davon aus, dass unter den Trollen auch einige Ladytrolle anwesend waren. Doch der Schleier der Anonymität verbarg diese Tatsache wohlwollend. Doch wurde ob dieser Namenslosigkeit genauso gegreint und gebarmt, die Trolle als Feiglinge beschimpft. Feiglinge? Naja. Manchmal möchte sich ein Mensch vielleicht die Narrenfreiheit nehmen einer Frustration Luft zu machen. Ob dies nun ein kulturell erbaulicher Vorgang sei, ist eine andere Sache. Es kann auch zu weil recht langweilig sein, sich auf maschinell wiederholender Art und Weise zu echauffieren, bis die Breitbandleitung glüht.

Was wir hier sahen, sind digitale Narren. Nur die Anonymität gewährt einem die Freiheit dumme Dinge zu tun, die Befriedigung herstellen, ohne hinterher die Konsequenzen tragen zu müssen. Denn schließlich sei diese Wut nur ein kleinerer Teil des Lebens. Damit will man sich nicht im großen, Ganzen alles verderben.

Doch andererseits, wenn man die Sachverhalte des Konflikts außer Acht lässt und nur den dortigen Vorgang betrachtet, sieht man interessante Dinge. Gerade diese signifikante Manier sich ständig zu wiederholen und der fiesen Botschaften so Nachdruck rauszuhauen, erinnert doch auch an stupide Massenmedien. Medien, die von oben der breiten Masse immer wieder und wieder den selben Fraß einflößt.

Diese anonymen Narrentrolle zeigen der medialen Gesellschaft, was ein Spiegel ist. Sie finden ihr Fressen und können dank des umstrittenen Themas, maximale Wirkung erzielen. Sie zeigen, dass man heutzutage genau darüber nachdenken muss, wie man eine Botschaft verbreitet und wie man sich auch absichern muss, um diesen Horden abzuwehren. Denn in einer vernetzten Welt ist das Herstellen eines Konsens lange nicht mehr mit der breiten Ausstrahlung einer Aussage getan. Man muss besser zuhören.

Und genau das ist der springende Punkt. Viele Menschen, die Sexismus als (altes) Problem zu gut kennen, aber im normalen Leben schon immer verachtet haben, fühlen sich wie die oben genannten Athener, von einer Eulenplage erdrückt.

Das Thema Sexismus, oder besser die Diskriminierung von Menschen verschiedenster Couleur an sich, gehört in ein anderes Forum. Sie gehört zum Beispiel den Großkonzernbossen um die Ohren gewatscht, sie gehört den fanatisch religösen mit Nachdruck vorgetragen. Es gibt genügend Nester der Diskriminierung, die es auszuräuchern gilt. Doch das Netzvolk kann zu einem Teil zumindest, nichts mit diesem Thema anfangen.

Und somit verbleibe ich mit einem fröhlichen "Narri Narro" zur Trollsaison.