Dienstag, 11. August 2009

Demos sind die neuen Parties

Es gab einmal eine Zeit, zu der ich auf dem besten Wege war, ein richtiges Partygirl zu werden. Eigentlich war ich es schon. Fast jedes Wochenende war ich stark aufgebrezelt auf irgendeiner Party unterwegs und hatte nicht selten das Vergnügen, viel Alkhohol für sehr wenig bis gar kein Geld zu bekommen. Manche Veranstalter fanden mich anscheinend so toll, dass sie mich von einem Fahrer abholen liessen, damit ich mich auf deren Party herumtreiben könnte. Diesen Zustand habe ich für zwei Jahre genossen. Irgendwann war mir die ganze Chause allerdings zuviel geworden. Es war kein Bruch, denn es gab keinen spezifischen Entschluss, dieses Leben von heute auf morgen zu beenden. es kam vielmehr ein soziales und gesellschaftliches Engagement in mein Leben.

Durch eine gute Freundin entdeckte ich, dass die Teilnahme an einer Demonstration nicht dröges rumalufen, rumtragen von Transparenten oder das Zusammensein mit Hippies und Punks bedeuten muss. Ich entdeckte die neue Bürgerrechtsbewegung aus dem Internet. Lauter Menschen, die weder alte 68er Sprüche klopfen, noch Steine schmeissen. Sehr angenehm. Zudem muss bemerkt werden, dass die neue Form des Protestes meist mit Spassfaktoren ausgeschmückt ist. Es gibt Kuchen, Musik und Tanz zu Transparenten und Sprechchören. Das faszinierte mich, genauso wie die Stimmung und die Leute. Alles Computer- und Internetfreaks wie ich die sehr auf freie Meinungsäusserung, Netzneutralität und Informationsfreiheit stehen. Überwachung und Zensur ist in dieser Crowd sowas von out. Kein Wunder, dass ich sofort Feuer und Flamme war. Mittlerweile bin ich breit grinsend und Bonbons essend in die Piratenpartei eingetreten. Seitdem geht das erst richtig los. Es gibt Stammtische, Crewtreffen, Infostände und jede Menge Endorphine während man die Bürger über Zensursula und Co. aufklärt. Man tut was gutes, was Richtiges um die Grundrechte in diesem Land zu verteidigen, wärhend man Spass hat.
Was gibt es besseres?

In den Neunzigern gab es die unpolitische Technobewegung mit Loveparade und dem Massenrave Mayday. Jeder hüpfte Tag und Nacht zu Beats und Drogen herum und amüsierte sich bis in die bitteren Konsequenzen dieser Zeit. Mittlerweile ist das Partytum politisch geworden. Am 12. September werden für die Grossdemonstration "Freiheit statt Angst", zu der letztes Jahr schon 70.000 Leute erschienen sind, über 100.000 Menschen erwartet. Das wird ein großer Marsch der Bürger gegen den Sicherheits- und Überwachungswahn unser Regierung. Das es sicherlich wieder einmal gute Laune zur ernsten Angelegenheit geben wird, steht ausser Frage. Es ist in meinen Augen essentiell sich durch Freude am Aktivismus von Steineschmeissern und ähnlichen Miesepetern gründlich abzugrenzen. Die Leute "da oben" sollen erkennen, dass wir nicht auf Zerstörung und Hass aus sind, sondern "lediglich" unsere Grundrechte und das Grundgesetz innig lieben und nicht verlieren möchten. Was hier passiert ist der Aufstand der Bürger, die ihre Pflicht erfüllen um die Verfassung zu schützen. Sie üben das im Grundgesetz garantierte Recht auf Widerstand gegen die momentan grundgesetzzerfleddernde Regierung aus.

Nur ist es sehr traurig zu sehen, wie eine Rekordpetition, die gegen Internetzensur zum fadenscheinigen Schutz gegen dokumentierten Kindesmißbrauch, von der Regierung einfach so übergangen wird. Als ob es ein kleines, nerviges Tierchen wäre, welches schnell wieder aus dem offenen Fenster fliegen soll. Dieser Sommer ist der deutsche Sommer der Petitionen. Es folgten die Petiton zum Thema GEMA und Actionspielen. Besorgte Bürger bedienen sich legaler Mittel um ihrer Regierung zu zeigen, was hier in diesem Land schief läuft. Hingehört wird leider selten. Das macht mir und vielen Anderen Angst. Das ist auch ein weiterer Grund warum fröhliche, partyähnliche Demonstrationen wichtig sind. Spass an der Freude tötet die Angst vor einer Realwerdung von Orwells 1984. Weitermachen mit einem Lächeln auf dem Gesicht und die Demokratie im Herzen. Hoffen wir mal, dass die Bundestagswahl neben einer drohenden schwarzen Pest auch Hoffnung in orange bringen wird. Dann wissen wir, dass die ganze Mühe und die ganze Party auch dem Zweck dienlich war und ist. Denn diese spezielle Party ist lange nicht vorbei.

1 Kommentar:

  1. Ich kenne einen ganzen Haufen von Hippies und Punks, mit denen Demos auch zu ordentlichen Parties werden...

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